Loreley

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,

dass ich so traurig bin;

ein Märchen aus alten Zeiten,

das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,

und ruhig fließt der Rhein;

der Gipfel des Berges funkelt

im Abendsonnenschein.


Die schönste Jungfrau sitzet

dort oben wunderbar;

ihr goldnes Geschmeide blitzet,

sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme

und singt ein Lied dabei;

das hat eine wundersame,

gewaltige Melodei.


Den Schiffer im kleinen Schiffe

ergreift es mit wildem Weh;

er schaut nicht die Felsenriffe,

er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen

am Ende Schiffer und Kahn;

und das hat mit ihrem Singen

die Lore-Ley getan.


T: Heinrich Heine, M: Friedrich Silcher